03.05.2020
„Bringt nicht mehr, sondern weniger Sicherheit für Radfahrer“ - Gemeinderatsfraktion fordert stattdessen mehr Geld vom Land für richtige Radwege
Mühlacker. Schon die Erfahrungen mit den bisher auf der Lienzinger Straße zwischen den Kreiseln aufgebrachten beidseitigen Markierungsstreifen für Radfahrer bestätigen nach Meinung der CDU-Fraktion im Gemeinderat der Stadt Mühlacker, dass diese kein Mehr an Sicherheit für die Radler bringen, sondern eine zusätzliche Gefährdung darstellen. Die Markierung von beidseitigen Schutzstreifen innerorts bei einer Fahrbahnbreite von 6,60 Meter bis 7,50 Meter zwischen dem Kreisverkehr Industriestraße und dem Kreisverkehr Ziegeleistraße wurde, wie berichtet, in das zweijährige Modellprojekt des baden-württembergischen Verkehrsministeriums aufgenommen. Der Gemeinderat sei nur informiert, die Entscheidung sei von der Stadtverwaltung getroffen worden, so die Union.
„Das ist eine typische Discounter-Lösung“, sagte Fraktionsvorsitzender Günter Bächle. Das heiße, mit wenig Geld eine Lösung, wenn auch zunächst befristet, anzubieten, nur um das Gefühl zu vermitteln, hier werde etwa für den Radverkehr getan. Schon jetzt lasse die Markierung erkennen, dass sich dieser Schutzstreifen nicht mit der seit 1. Mai 2020 geltenden Regelung vertrage, wonach Kraftfahrer, die einen Radfahrer überholen, mindestens einen Abstand von 1,5 Meter bis 2 Meter einhalten müssten - im Zweifel sogar mehr. Sei kein ausreichender Abstand aufgrund der Verkehrssituation einzuhalten, habe der Kraftfahrer das Überholen zu unterlassen und hinter dem Radfahrer zu bleiben, so die Regelung nach einer Änderung der Straßenverkehrsordnung durch den Bundestag. In einer Anfrage will er für die Fraktion von der Verwaltung wissen, ob es Radwege in Mühlacker gebe, bei denen dieser Mindestabstand nicht gesichert sei und inwieweit die Verwaltung einen Handlungsbedarf sehe. Die Lienzinger Straße mit den beidseitigen Schutzstreifen sei sicherlich ein heißer Kandidat dafür.
Bewusst auf diesem Abschnitt radelte am Freitag das CDU-Fraktionsmitglied Matthias Trück, der seit langem täglich unter anderem von seinem Wohnort Lienzingen und seinem Glasereibetrieb in der Enzstraße mit dem Rad pendelt. Er trat vom Kreisverkehr Industriestraße in Richtung Lienzingen in die Pedale. Dabei sei ihm auf Höhe der ehemaligen Gaststätte Linde folgendes passiert: „Ein Auto war hinter mir, ein zweites Auto nahte aus der Gegenrichtung. Das Auto hinter mir hat mich mit rasanter Geschwindigkeit überholt, um noch vor dem Gegenverkehr wieder einscheren zu können.“ Dies sei ihm zweimal auf der kurzen Strecke bis zur Bahnbrücke passiert. Für ihn als Radfahrer sei dies sehr unangenehm und gefährlich gewesen, weil es gerade noch mit dem Einscheren gereicht habe, bevor der Gegenverkehr auf derselben Höhe gewesen sei.
Die nach Meinung der Fraktion eklatanten Schwachpunkte dieses Modellversuchs nannte Stadtrat Wolfgang Schreiber. Zwei Pkw kämen auf der beidseits um bis zu 1,40 Meter verschmälerten Fahrbahn gerade noch aneinander vorbei, mit LKW könne es gefährlich werden. „Ganz schlecht, ja gefährlich ist, dass in den beiden Kurven die Markierung wegfällt, weil es zu eng wird und der Autofahrer auf den Radweg kommen darf.“ Zudem gebe es wieder ein offenes Ende am Kreisel - ähnlich wie auf der Stuttgarter Straße ende die Markierung in der regulären Fahrbahn.
Kritik übte die Fraktion bei ihrer virtuellen Sitzung am Verkehrsministerium des Landes. Einerseits lege es solche Modellversuche, teilweise auf Kosten der Kommunen auf, die zu einer Scheinsicherheit für Radfahrer wie in diesem Fall führe, andererseits strebe es Radschnellwege an, wobei dieser allein zwischen Pforzheim und Vaihingen - über Mühlacker – mit 26 Millionen Euro Kosten hochgerechnet worden sei. Stadtrat Bernd Obermeier forderte vom Land, lieber mehr Geld zu investieren in gesonderte innerörtliche Radwege, die echte Sicherheit dem Radler brächten. Stadtrat Johannes Bächle verlangte während des Modellversuchs auf der Lienzinger Straße, nachdem dieser nicht habe abgewendet werden können, eine Zählung der Rad- und Kraftfahrer, die auf diesem Abschnitt unterwegs sind, sowie eine regelmäßige Kontrolle durch Polizei und Ordnungsamt, um Gefährdungen von Radfahrern zu minimieren, heißt es abschließend in der Stellungnahme der CDU-Ratsfraktion.