05.02.2021
Stattdessen legt das Regierungspräsidium jährlich Maßnahmen der Pflege fest - Extensivierung der Wiesen vorgesehen - Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder zurückhaltend gegenüber zeitweisen Besuchsmöglichkeiten des umzäunten Geländes
Mühlacker-Lienzingen. Im Naturschutzgebiet „Ziegelhäule" in Lienzingen, ehemaliges Erdzwischenlager der Baustoffwerke Mühlacker an der Landesstraße 1134, sind 2021 weitere Optimierungsmaßnahmen an der vorhandenen Steilwand sowie das Zurückdrängen von Gehölzsukzession und Neophyten (Goldrutenbestände) geplant, heißt es in einer Antwort von Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder an den Vorsitzenden der CDU-Gemeinderatsfraktion Mühlacker, Günter Bächle. Zurückhaltend äußerte sie sich zu Anregungen, den eingezäunten Bereich wenigstens zeitweise für Interessierte zu öffnen oder Exkursionen anzubieten. Der Stadtrat hatte auch nach dem angekündigten und immer wieder verschobenen Pflege- und Entwicklungsplan gefragt und ob örtliche Landwirte bei Pflegeaufträgen, wie von der Behörde dem Gemeinderat zugesichert, zum Zuge gekommen seien.
Mit Verordnung vom 12. April 2017 wurde die „Ziegelhäule" als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Es umfasse auf elf Hektar vor allem das gleichnamige, stillgelegte Erdzwischenlager im Süden, Nasswiesen im Norden sowie das Flächennaturdenkmal „Trinkweiher" im Nordosten des Naturschutzgebietes, so Felder. Im Rahmen der vorbereitenden Arbeiten zur Ausweisung als Naturschutzgebiet seien Tierarten kartiert und Biotoptypen erfasst worden. Neben der Darlegung der Bestandsdaten würden im Gutachten zur Unterschutzstellung aus dem Jahr 2014 auch das Leitbild und Schutzziel sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen aufgeführt. „Vor diesem Hintergrund wird derzeit die Erstellung eines Pflege- und Entwicklungsplanes als für nicht erforderlich erachtet.“ Darüber hinaus unterliege das Gelände der ehemaligen Tongrube einer starken und beständigen Dynamik, sodass hier nur sehr schwierig konkrete und flächenscharf abgrenzbare Maßnahmen über einen längeren Zeitraum genannt und vorgesehen werden könnten. Vielmehr seien jährlich Maßnahmen für das Folgejahr festzulegen, heißt es in der Antwort der Chefin des Regierungspräsidiums Karlsruhe.
„Demnach wurde nach Ausweisung des Naturschutzgebietes im Jahr 2018 zunächst die Gehölzsukzession zurückgedrängt, indem Gebüsche entfernt wurden, um schutzwürdige offene Bereiche für lichtliebende Tiere und Pflanzenarten zu erhalten“, so die Präsidentin weiter. Im Jahr 2019 seien die Gehölzsukzession für die anschließende Reaktivierung eines Tümpels und Pflanzen, die natürlicherweise nicht vor Ort vorkommen, sogenannte Neophyten wie die Goldrute, beseitigt worden. Im vergangenen Jahr seien schließlich Optimierungsmaßnahmen an der vorhandenen Steilwand, die Reaktivierung des ehemals vorhandenen Tümpels und eine Ziegenbeweidung im Bereich des ehemaligen Erdzwischenlagers erfolgt. Es habe sich hierbei unter anderem um Aufträge nach der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) sowie um Baggerarbeiten durch die Stadt Mühlacker gehandelt.
In einem weiteren Schritt ist im nördlichen Bereich die Extensivierung der Wiesen vorgesehen, kündigte Felder an. Hierzu habe das Regierungspräsidium im Jahr 2020 die örtlich ansässigen und dort wirtschaftenden Landwirte hinsichtlich des Abschlusses von LPR-Verträgen und Aufträgen angefragt. Entsprechende Verträge können jedoch nur auf freiwilliger Basis abgeschlossen werden: „Leider waren die angefragten Landwirte hierzu bislang noch nicht bereit.“
Für das Jahr 2021 seien zum jetzigen Zeitpunkt weitere Optimierungsmaßnahmen an der vorhandenen Steilwand sowie das Zurückdrängen von Gehölzsukzession und Neophyten (Goldrutenbestände) geplant. „Des Weiteren werden wir erneut die Landwirte hinsichtlich des Abschlusses von LPR-Verträgen im Bereich der Wiesenflächen kontaktieren.“
Hinsichtlich der Wegeführung und der weiteren Öffnung des Naturschutzgebietes für die Öffentlichkeit schränkt die Regierungspräsidentin deutlich ein. Der im Naturschutzgebiet stehenden Informationstafel sei zu entnehmen. dass es außerhalb des Naturschutzgebietes einen Weg gebe, der sogenannt Waldstückleweg, der von Lienzingen kommend am Waldrand entlangführe, das Gebiet westlich umlaufe und südlich der Tongrube in die L1134 münde. Ebenso bestehe für Besucher die Möglichkeit, den sogenannten Trinkweg, der nordwestlich der Tongrube verlaufe und ins Schutzgebiet führe, zu nutzen. Eine zusätzliche West-Ost-Querung innerhalb des Naturschutzgebiets durch Anlage eines weiteren Weges im Bereich der Wiesenflächen könne nicht erfolgen, weil er den Schutzzwecken des Naturschutzgebiets erheblich widerspräche. Vom Schutzzweck umfasst seien die Wiesen und Gräben, insbesondere als essentieller Lebensraum und Wanderkorridor für Amphibien wie auch als Jagdrevier, Nahrungs- und Fortpflanzungsstätte für Vogel-, Reptilien-, Heuschrecken-, Libellen-, Käfer und Stechimmenarten: gerade auch seltener und gefährdeter Arten. Ein Teil der dort vorkommenden Wiesen umfasse zudem europarechtlich geschützte magere Flachland-Mähwiesen.
Zudem ist nach der Schilderung der Präsidentin in jüngster Zeit leider festzustellen, dass Naturschutzgebiete zunehmend einem hohen Besucherdruck und dabei erheblichem Lärmaufkommen und Verschmutzungen ausgesetzt sind: „Dies wiederum führt zu einschneidenden Beeinträchtigungen dieser wichtigen Lebensräume von seltenen und geschützten Arten. Vor diesem Hintergrund sehen wir möglichst davon ab, derart sensible Gebiete weiter für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
Ob nördlich außerhalb der Naturschutzgebietsgrenze eine Verbindung zur L 1134 geschaffen werden könne, würde von den Planungen der Gemeinde und der Zustimmung der jeweiligen Grundstückseigentümer abhängen.
Zum Schutz der Lebensstätten und Fauna umfassen die Naturschutzgebietsverordnungen entsprechende bußgeldbewährte Verbotstatbestände, wobei ausdrücklich naturkundliche Führungen ausgenommen sind, heißt es in der Antwort weiter. In diesem Zusammenhang sei jedoch darauf hingewiesen, dass auch im Rahmen solcher naturkundlichen Exkursionen das Wegegebot nach der Schutzgebietsverordnung einzuhalten sei. Sofern ein eingezäunter Bereich betreten und die Wege verlassen werden sollen, sei eine Befreiung der höheren Naturschutzbehörde nach dem Bundesnaturschutzgesetz erforderlich.
Die von Stadtrat Bächle in seinem Schreiben an die Präsidentin gestellte Frage, ob der Deutsche Sandlaufkäfer (Cylendera germanica) auf dem Gelände noch vorkomme, der Anlass gewesen sei für die Ausweisung des Naturschutzgebietes Ziegelhäule, wurde verneint. Diese Art sei sehr schwer nachzuweisen. Der Nachweis hänge stark von diversen Umwelt- und Umgebungsfaktoren ab, so dass Zufallsbeobachtungen eher selten seien. Im Zuge der Bestandserfassung der Laufkäfer im Jahr 2014 habe er nicht nachgewiesen werden können. Generell sei, wie bei vielen Insektenarten, auch die Gruppe der Sandlaufkäfer stetig im Rückgang. „So konnte der Deutsche Sandlaufkäfer auch in Gebieten mit deutlich größeren Populationen aktuell nicht nachgewiesen werden.“ Durch geeignete Maßnahmen könne die Habitatqualität verbessert werden, eine Garantie für eine Besiedlung dieser mobilen Art in signifikanten Mengen sei dies hingegen leider nicht.
Info: Ansprechpartner für das Naturschutzgebiet Ziegelhäule im Regierungspräsidium Karlsruhe ist Daniel Raddatz, erreichbar unter Daniel.Raddatz@rpk.bwl.de oder unter der Telefonnummer 0721 9264351.