27.04.2019
Seit Inkrafttreten der Gesamtanlagensatzung 2012 für den historischen Ortskern insgesamt 52 baurechtliche Verfahren mit denkmalrechtlichem Bezug
Mühlacker-Lienzingen. Positiv sieht die Stadtverwaltung die mehr als sechsjährigen, auch baurechtlichen Erfahrungen mit der Sicherung des mittelalterlichen, gut erhaltenen Ortskerns durch eine Satzung für die Gesamtanlage. Die Unterschutzstellung und die Bezeichnung „Etterdorf Lienzingen“ sei in der Bevölkerung fest und positiv verankert und trage neben weiteren Aktionen, wie zum Beispiel dem „Etterdorffest“, insgesamt zur Identifikation der Bewohner mit „ihrem Dorf“ bei. Das „Etterdorf“ sei ein Alleinstellungsmerkmal, so die Verwaltung in der Antwort auf eine Anfrage des Vorsitzenden der CDU-Gemeinderatsfraktion, Günter Bächle.
Wie die Erfahrungen des Baurechtsamtes der Stadt mit der Anwendung der Gestaltungssatzung Gesamtanlage Etterdorf Lienzingen aus dem Jahr 2012 seien, wollte Bächle wissen. Und weiter: Wie viele baurechtlichen Anträge im Konflikt zur Schutzsatzung gestanden seien und wie die Verwaltung bei Anträgen auf Photovoltaikanlagen (PV) und andere Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer
Energie im Satzungsgebiet umgehe.
Die Unterschutzstellung wird insgesamt als positiv betrachtet, auch wenn einzelne Eigentümer im
Falle der persönlichen Betroffenheit die denkmalschutzrechtlichen Vorgaben zur Außengestaltung
ihrer Gebäude als Einschränkung der persönlichen Freiheit empfinden mögen, so die Antwort aus dem Rathaus. Seit Inkrafttreten der Gesamtanlagensatzung am 1. Dezember 2012 habe es in deren Geltungsbereich bis zum 31. Dezember 2018 insgesamt 52 baurechtliche Verfahren mit denkmalrechtlichem Bezug gegeben. In der Regel werden laut Stadtverwaltung die denkmalrechtlichen und damit auch die Belange der Gesamtanlagensatzung im Rahmen der baurechtlichen oder - wenn das Gebäude selbst ein Kulturdenkmal darstelle - im Rahmen der denkmal- oder baurechtlichen Verfahren bearbeitet.
Als Ursachen für Konflikte nennt die Stadtverwaltung, so die Mitteilung der CDU-Ratsfraktion, die Gestaltung von Werbeanlagen, die Gestaltung eines Neubaus, Grundstückseinfriedigungen und Anlage von Stellplätzen, Anbau eines Wintergartens sowie Materialwahl Fenster, Einfriedigungen, Dämmung und Farbgebung, außerdem eine PV-Anlage auf Scheunendach. Seit Inkrafttreten der Gesamtanlagensatzung gab es demnach zwei Bußgeldverfahren.
Denkmalschutzrechtliche Genehmigungen würden nach Anhörung des Landesamtes für Denkmal-
pflege erteilt. Wolle die Denkmalbehörde von der Äußerung des Landesamtes abweichen, habe sie
dies der höheren Denkmalschutzbehörde rechtzeitig vorher mitzuteilen. PV-Anlagen treten, so die Stadtverwaltung, wegen ihrer Großflächigkeit im Gegensatz zu solarthermischen Anlagen gestalterisch wesentlich stärker in Erscheinung. In Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde sei die Errichtung einer PV-Anlage auf einem nach Süden ausgerichteten Scheunenvordach im Hofbereich einer Gesamtanlage an der Knittlinger Straße nicht genehmigt worden. Der gegen die Ablehnung eingelegte Widerspruch sei vom Regierungspräsidium als höhere Denkmalschutzbehörde zurückgewiesen, Klage nicht erhoben worden.
Durch die Gestaltungssatzung wurde der Lienzinger Ortskern 2012 auf eine Stufe mit den historischen Stadtkernen von Heidelberg, Freiburg, Ravensburg und Konstanz gestellt. Der Dorfkern gilt als einzigartig. Experten ermittelten nicht nur eine Vielzahl von denkmalgeschützten Häusern und Scheunen, sondern auch den einzigartigen Konservierungsgrad. Es hat den prägnanten Ortsrand (Etter). Das Gebiet der Gesamtanlage umfasst den historisch belegten und auch heute noch ablesbaren Ortskern wie im Primärkatasterplan von 1835. Diese Urkarte aus dem 19. Jahrhundert und der heutige Ortsplan übereinander gelegt, belegen, dass die Struktur erhalten geblieben ist.
Der Gemeinderat folgte 2012 nach einer Bürgerversammlung dem Vorschlag des Regierungspräsidiums Karlsruhe und stimmte der Gesamtanlagensatzung einmütig zu. Damit ist jede Veränderung am überlieferten Erscheinungsbild der Gesamtanlage genehmigungspflichtig. Die Denkmalschutzbehörde entscheidet. Dabei ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob das geschützte Bild der Gesamtanlage durch die Maßnahme erheblich beeinträchtigt würde. Lienzingen war das erste Dorf, das im Regierungsbezirk Karlsruhe als dörfliche Gesamtanlage geschützt wurde – eine gute Entscheidung, wie auch Stadtrat Bächle sagt. Die Zahl der Verfahren – durchschnittlich weniger als zehn pro Jahr – bleibe, wie die Antwort der Stadtverwaltung belege, in einem verträglichen Rahmen.