Gutachter: Entweder jetzt zählen oder erst 2022

13.05.2020

Verkehrszählung in Corona-Zeiten – Diskussion zur Datenerhebung für das geplante Wohngebiet „Pferchäcker“ in Lienzingen

Mühlacker-Lienzingen. Was geht und was geht nicht in Corona-Zeiten? Diese Frage beschäftigten jetzt Stadtverwaltung, CDU-Ratsfraktion und Anlieger der Raithstraße in Lienzingen. Denn an der Straße stand für einige Tage ein Gerät zur Verkehrszählung im Rahmen der Lärmuntersuchung zum geplanten Baugebiet Pferchäcker, wie eine Nachfrage von Stadtrat Günter Bächle bei der Stadtverwaltung ergab.

Es sei durch den Gutachter beabsichtigt, die tatsächlich gezählten Fahrzeuge mit einem Faktor zu multiplizieren, der sich aus dem gegenüber dem Normalverkehr veränderten Verkehrsaufkommen ergibt. „Dieser Faktor wird ermittelt durch Auswertung und Vergleich der Verkehrszahlen der ständigen landesweiten Zählstellen im Land“, so Ordnungsamtsleiter Ulrich Saur in seiner Antwort. Dieses Verfahren sei auch in der Finanzkrise 2008/2009 erprobt worden.

Anlieger befürchteten, dass in Corona-Zeiten unrealistische und damit zu niedrigere Ergebnisse zu Tage gefördert werden, auch die CDU-Fraktion äußerte gegenüber der Verwaltung ihre Zweifel an der Aussagekraft der Daten. Das Gutachten zur Verkehrszählung in den Pferchäckern sei noch vor Corona beauftragt worden, schrieb Stadtplanungsamtsleiter Armin Dauner in seiner Antwort dem Fraktionsvorsitzenden Bächle. „Als der Gutachter uns den Termin mitteilte, haben auch wir unmittelbar nachgefragt, welche Qualität diese Daten vor dem Hintergrund eines deutlich verminderten Verkehrsaufkommens haben können“, so Dauner. Der Gutachter, ein renommiertes Büro, habe versichert, dass die nach der Vorgehensweise ermittelten Daten (Zählung plus Korrekturfaktor auf Grundlage der Zahlen der Dauerzählstellen des Landes) valide seien.

Die Alternative bestünde darin, das Verkehrsgutachten in die Nach-Corona-Zeit zu verschieben, so Dauner. Der Gutachter weise darauf hin, dass das kaum vor 2022 sein würde. Das beschleunigte Bebauungsplanverfahren, das als Verfahrensart Ende 2021 auslaufe, wäre dann Makulatur, das Bebauungsplanverfahren würde sich insgesamt deutlich verzögern. Dauner: „Ich möchte aber betonen, dass das unvermeidlich wäre, wenn der Gutachter nicht von der Qualität der hier gewonnenen Daten überzeugt wäre! Auch ich hielte es für unzulässig, mit unzuverlässigen Zahlen zu arbeiten, nur um irgendwelche Termine einzuhalten, wie dringlich sie auch sein mögen.“

Dem sei aber nicht so: Der Planungsamtsleiter schrieb, so die CDU-Fraktion in einer Mitteilung, er habe keinen Zweifel an der Aussage des Gutachters. Denn auch eine Zählung ohne Corona sei ja nur der Eindruck eines oder weniger Tage, die Aussagegenauigkeit sei deshalb niemals fahrzeuggenau und sie müsse es auch nicht sein. Viele Messungen würden nur zu bestimmten Tageszeiten durchgeführt, die Zahlen des restlichen Tages dann anhand standardisierter Tagesverkehrsganglinien errechnet. Auch diese Tageszahlen seien also regelmäßig nicht gezählt, sondern gerechnet.

In weit größerem Maße treffe dies auf viele andere Gutachten, zum Beispiel in den Bereichen Lärm oder Geruch zu, so Dauner weiter. Hier erfolge eine vollständige rechnerische Modellierung mit Standardlärm- oder Geruchswerten bestimmter Typen. Auch die durch das Gebiet „Pferchäcker“ verursachten Verkehre würden ja nicht etwa gemessen, sondern anhand der geplanten Wohneinheiten und der gutachterlich daraus anhand von üblichen Standardwerten abgeleiteten Zahl der Fahrzeugbewegungen berechnet. Gleiches gelte für die allgemeine Verkehrsentwicklung: In die vom Gutachter zu errechnende Verkehrsbelastung fließe nicht nur der Status Quo und der Zuwachs durch das Baugebiet, sondern auch der Zuwachs durch die gebietsunabhängig zu erwartende allgemeine Verkehrsentwicklung ein – auch dieser Faktor sei naturgemäß prognostisch. Es sei also nicht etwa so, dass durch eine corona-unbeeinflusste Zählung auf rechnerische Vorgänge zur Modellierung verzichtet werden könnte. Hier werde lediglich ein weiterer Parameter in ein Rechenmodell eingefügt, das bereits verschiedene solche Parameter beinhalte

„ Auch uns wäre es lieber, wenn wir hier ohne Corona zählen könnten und dieser Korrekturparameter verzichtbar wäre. Aber ob die für ein Gutachten gewählte Vorgehensweise, egal ob Messung, Zählung, Modellierung oder Bewertung der Zahlen aussagekräftig ist oder nicht, überlasse ich ganz bewusst dem zuständigen Gutachter. Er hat die Fachkompetenz und kann es beurteilen - hätten wir sie selbst, dann bräuchten wir ihn nicht“, so Dauner. Und die Aussage des Gutachters sei eindeutig: Er habe keinerlei Sorge bezüglich der Aussagekraft der Zahlen.

Der Gutachter werde nicht nur Aussagen zu treffen haben, ob der ermittelte zusätzliche Verkehr in den Bestandsgebieten unzumutbare Probleme aufwirft, sondern auch, bis zu welcher Schwelle der dortige Verkehr als unproblematisch einzuschätzen wäre. Aus dem gezählten und daraus mit Korrekturfaktor errechneten Wert einerseits und dem noch als problemlos betrachteten Wert andererseits lässt sich nach Dauners Angaben herleiten, ob die nach dem Gutachten zu erwartenden Zahlen weit unterhalb, in der Nähe oder gar oberhalb der maximalen Kapazität der umgebenden Straßen liegen. Liege sie weit unterhalb, dann sei eine mögliche Ungenauigkeit durch den Corona-Korrekturfaktor jederzeit hinnehmbar. Liege sie im Bereich der zulässigen Maximalwerte, dann sei der Gemeinderat nicht gehindert, dies in seine Abwägung einzustellen und daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen – zum Beispiel eine Verkleinerung oder gar einen gänzlichen Verzicht auf das Gebiet.

 

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