„Kommenden Winter kann keine Entwarnung gegeben werden“

26.07.2023

Energie-Experten der Stadtwerke informieren - Zahlen zur lokalen Erzeugung erneuerbarer Energie (EE) - Die CDU Mühlacker sehe sich in der Pflicht, auch in Wahlkampf-freien Zeiten die Bürger zu wichtigen Themen sachlich zu informieren durch unabhängige Fachleute, sagte Dr. Peter Napiwotzky, Stadtverbandsvorsitzender der CDU und Kreisrat

Mühlacker. Nur durch den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energie lassen sich langfristig die Energiepreise in Deutschland nachhaltig senken. Das steht für den Diplom-Volkswirt Axel Detmer, Prokurist und stellvertretender Geschäftsführer der Stadtwerke Mühlacker GmbH (SWM) fest. Bei einer Veranstaltung der CDU Mühlacker beleuchtete er, zusammen mit M. Eng. Frederik Trockel, ebenfalls Vize-Chef der SWM, die Entwicklung der Energietarife. „Kommenden Winter kann keine Entwarnung gegeben werden“, so ihre Botschaft in der historischen Kelter. Trockel ist zuständig für Gas/Wasser/Wärme (Netz), Detmer für Energiewirtschaft (Vertrieb).


Als Reaktion auf die geänderte Marktlage und zur Vermeidung eines Gasmangels seien 2022/23 eine flexible und kurzfristig geänderte Netzfahrweise angewandt, die Gasimporte aus Norwegen, den Niederlanden sowie Belgien erhöht sowie eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller erreicht worden.
Die angestrebten und erforderlichen europaweiten Speicherfüllstände im Jahr 2024 in einem durchschnittlichen Winter könnten nur bei Bezug von, gleichwohl reduziertem russischem Gas wie in diesem Winter oder einer Einsparung von 15 Prozent beim Verbrauch erreicht werden und dem weiteren Import von Liquified Natural Gas (LNG), also Flüssigerdgas. Nur bei einem kalten Winter (alle 20 Jahre) sei es eine "Und-Beziehung", also 15 Prozent Einsparung, Beibehaltung reduzierter Bezug aus Russland und weiterer Import von LNG. In allen anderen Szenarien bleibe der Ziel-Speicherfüllstand zurück, so die beiden Experten. Ziel dieser Szenarien sei aber immer, dass die Versorgung der Haushalte sichergestellt werden könne und keine spürbaren Ausfälle für die Industrie auftreten.


In einem Ausblick auf den Winter 2023/24 sieht Trockel inzwischen erreichte Verbesserungen. Effiziente Kommunikationsprozesse seien auf europäischer und nationaler Ebene etabliert wie zum Beispiel der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) im europäischen Verbund. Die Bedeutung der Speicher für Versorgungssicherheit sei gesetzlich hinterlegt. Dieser Mindestfüllstand der Speicher schaffe über höhere Füllstände bessere Voraussetzungen für einen kalten Winter. Die Evaluation des Gesetzes werde Anfang April erwartet, der Prozess zur nationalen Steuerung der Gasflüsse sei etabliert. Bereits die 2022 umgesetzte Änderung der Gasflüsse im nationalen Verbund schaffe Flexibilität bei weiteren Änderungen von Bezugsrouten.


Für die Notfallstufe seien vorsorglich Instrumente und Prozesse geschaffen worden, darunter die Sicherheitsplattform für die Notfallkommunikation in der Notfallstufe – ein Datenportal mit Angaben von rund 2.500 Industriekunden mit mehr als zehn Megawatt Anschlussleistung. Dazu stehe im September 2023 eine weiterte Übung an. Der Notfallplan Gas sei in Teilen bereits aktiv umgesetzt, in Teilen konkretisiert worden, so Trockel, genauso wie das Ausrufen der Frühwarnstufe und der Alarmstufe durch das Bundeswirtschaftsministerium.
Aufgaben in den nächsten Jahren sind nach Ansicht von Detmer und Trockel ein klimaneutrales Stromsystem 2035, eine Netto Treibhausgas Neutralität 2045, die Überarbeitung des Gebäudeenergie-Gesetzes (GEG) und die kommunale Wärmeplanung.

 
Trockel nannte auch Zahlen zur lokalen Erzeugung erneuerbarer Energie (EE). Die Stromabgabe im eigenen Netz betrage 136,6 Gigawatt pro Stunde (GWh), von EE-Einspeisern kämen 21,9 GWh. Der EE-Anteil von 16 Prozent sei im Vergleich zum Bundesdurchschnitt von 42 Prozent eher klein, da Mühlacker einen großen Gewerbe- und Industrieanteil habe. Die installierte Leistung der EE-Einspeiser: 18 MW (etwa 15,7 MW Photovoltaik sowie zirka 2,3 MW Flusskraftwerke und Blockheizkraftwerke). Der Mühlacker EE-Anteil betrage im Sommer 27 Prozent, im Winter 16 Prozent. Führe man nun eine stündliche Betrachtung durch, ergebe sich im Sommer und insbesondere an den Wochenenden eine Rückspeisung aus dem 20 kV Netz in die 110 kV Ebene des vorgelagerten Netzbetreibers (EE-Anteil > Netzlast). Dies erfolge jedoch nur durch den hohen PV-Anteil – sprich: wenn die Sonne scheint.

 
Die CDU Mühlacker sehe sich in der Pflicht, auch in Wahlkampf-freien Zeiten die Bürger zu wichtigen Themen sachlich zu informieren durch unabhängige Fachleute, sagte Dr. Peter Napiwotzky, Stadtverbandsvorsitzender der CDU und Kreisrat. „Denn Energiepreise gehen uns alle an, auch die, die in absehbarer Zeit keine neue Heizung brauchen.“ Die alten Zeiten mit günstigen Preisen kämen so wohl nicht wieder, auch nicht, wenn der unsägliche Ukraine-Krieg irgendwann ein friedliches Ende finde. Es bleibe die Frage: Was war, was ist, was kommt und was kommen könnte.

Axel Detmer (li.) und Fredrik Trockelzoom
Axel Detmer (li.) und Fredrik Trockel
 

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