07.06.2022
Stadtverwaltung beantwortet Anfrage der CDU-Fraktion zur Bürgerbeteiligung „Ziegelhöhe“: Mit zunehmender Konkretisierung der Planung steigt das Interesse der Beteiligten, aber verringern sich zugleich die Gestaltungs-, Einfluss- und Spielräume. Manche, die jetzt Änderungen fordern, hätten sich schon 2016 melden können – damals war jedoch von ihnen nichts zu hören, beklagt der OB.
Mühlacker. Was ist der richtige Zeitpunkt der Beteiligung der Öffentlichkeit an einem Bebauungsplan wie der für das Areal der alten Ziegelei? Die Stadtverwaltung spricht von einem „Beteiligungsparadoxon“: Mit zunehmender Konkretisierung der Planung steige das Interesse der Beteiligten, aber verringerten sich zugleich die Gestaltungs-, Einfluss- und Spielräume. Manche, die jetzt Änderungen forderten, hätten sich schon 2016 melden können – damals sei jedoch von ihnen nichts zu hören gewesen, steht in der Antwort der Verwaltung an den CDU-Fraktionsvorsitzenden Günter Bächle. Die Union begrüßte, dass die Verwaltung ihren Vorschlag mit einer Ortsbegehung aufgegriffen hat.
Die CDU-Fraktion mahnte im Juli 2020 die Bürgerbeteiligung im Bebauungsplanverfahren „alte Ziegelei“ an, schrieb in der Anfrage für die CDU-Fraktion deren Vorsitzender Günter Bächle. „Die Verwaltung argumentierte immer wieder, der Gemeinderat steuere die Entwicklung des Gebietes nur über den Bebauungsplan. Ist es nicht so, dass der Gemeinderat über den Eigentümer, die Hofkammer, gesteuert wird?“ Welchen Spielraum für Änderungen bleibe der aktuellen Bürgerbeteiligung, so die Kernfrage der Christdemokraten
Die Planung des Areals Ziegelhöhe sei hoch komplex, die verschiedenen Parameter würden sich einander bedingen und eine technisch notwendige Änderung des einen Parameters bringe die Änderung mehrerer anderer mit sich, antwortete die Stadtverwaltung laut Mitteilung der CDU-Fraktion. Deshalb könnten Formate der Bürgerbeteiligung zu einem frühen Zeitpunkt keine Gewähr bieten, dass die Planung tatsächlich in dieser Form fortgeführt werden könne. Der beste Beweis sei die Planung für das Ziegeleiareal, die sich immer wieder geändert habe.
Die Verwaltung habe in den vergangenen Jahren im Einvernehmen mit dem Gemeinderat und zuletzt auch der Hofkammer das Plangebiet weiterentwickelt. „Hierbei nimmt die Verwaltung für sich in Anspruch, nicht von der Hofkammer gesteuert zu werden, sondern gemeinsam mit der Hofkammer den Entwurf im Sinne einer hohen städtebaulichen Qualität einvernehmlich und verantwortungsbewusst weiterentwickelt zu haben“, steht in der von Oberbürgermeister Frank Schneider unterschriebenen Antwort an die CDU-Fraktion.
Dem Gemeinderat sei es dabei bis zum Satzungsbeschluss unbenommen, die Planung zu ändern, das Plangebiet zu verkleinern oder gar die Planung ganz aufzugeben. „Allerdings wird es dann der Hofkammer nicht zuzumuten sein, den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen, der ja aufgrund eines dem Kaufvertrag einvernehmlich zugrunde gelegten Entwurfs ermittelt wurde.“
Ortstermin am 22. Juni
Die Bürgerbeteiligung laufe noch, so stehe die Offenlage der Pläne als weiterer Schritt noch aus. Unabhängig davon sei es möglich, ergänzende informelle Beteiligungsformate ins Verfahren einzufügen, zum Beispiel in Form von Ortsterminen mit Anliegern, wie jetzt auf Vorschlag der CDU am 22. Juni um 18.30 Uhr (Treffpunkt Ludwigstraße).
Prinzipiell könnten auch Bürgerinnen und Bürger in die Jury eines Wettbewerbs zur Freianlagengestaltung berufen werden. Allerdings müsse dabei die Zahl der qualifizierten Fachpreisrichter immer höher sein als die der Sachpreisrichter. Davon ausgehend, dass mindestens der Oberbürgermeister, Vertreter jeder Fraktion und mindestens zwei Vertreter der Hofkammer, also insgesamt mindestens acht Sachpreisrichter im Verfahren beteiligt seien, bestehe die Jury aus mindestens 8+9=17 Preisrichtern. Bei einer nochmaligen Vergrößerung (je weiterem Sachpreisrichter kommt ein Fachpreisrichter hinzu) gerate die Jury härter an die Grenze der Arbeitsfähigkeit.
Bürgerinnen und Bürger könnten auch in einem Workshop an der Formulierung der Aufgabenstellung in der Auslobung mitwirken, so der OB. Allerdings seien diese Aufgabenstellungen im Regelfall eher abstrakt formuliert. „Ob dies das häufig eher konkrete Mitwirkungsbedürfnis befriedigen kann, ist keineswegs gesichert.“
Bei den Mehrfachbeauftragungen für die Hochbauprojekte sieht die Verwaltung keinen Ansatzpunkt für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Diese Entwürfe würden auf Basis eines geltenden Bebauungsplans entwickelt. Niemand käme bei einem Baugebiet mit individuellem Wohnungsbau auf die Idee, die Bürgerschaft in die Beurteilung der individuellen Wohnbauten einzubeziehen.
„Richtig ist insofern die Feststellung, dass sich mit Fortschreiten des Planungsstandes die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Planinhalte verringern“, steht in der Antwort aus dem Rathaus. Dies gilt umso mehr bei komplexen Projekten wie der Ziegelei, weil jede Änderung eines Parameters Einfluss auf andere habe. Richtig sei aber auch, dass diejenigen, die ihre Vorschläge nun unbedingt in die Planung einfließen sehen wollen, diese Möglichkeit, als sie sich geboten habe, hätten ungenutzt verstreichen lassen.
„Dass die Betroffenen das ungern hören, räumt die Verwaltung ein.“
Bereits 2016 gab es laut Verwaltung eine frühzeitige Beteiligung. Der OB: „Es ist nicht etwa so, dass die Planung der Einwohnerschaft bisher völlig unbekannt war – insbesondere nicht die vorrangig kritisierte Lage der westlichen Bebauungsgrenze des Gebiets.“ Zu diesem frühen Zeitpunkt seien viele Punkte noch gestaltbar gewesen, leider seien aber praktisch keine Stellungnahmen eingegangen (diejenige, die eingingen, seien berücksichtigt worden). Im Grunde zeige dies am konkreten Beispiel der Ziegelei selbst, dass eine frühe frühzeitige Beteiligung nicht dazu führt, dass mehr Stellungnahmen in die Planung einfließen, sondern dass kaum oder gar keine Stellungnahmen kommen.
Westlicher Grenze des Baugebiets seit 2015 unverändert
An der westlichen Plangebietsgrenze hat sich seit der Aufstellung des Flächennutzungsplans im Jahr 2013 und der ersten frühzeitigen Bürgerbeteiligung im Jahr 2015/2016 nichts geändert, hebt die Verwaltung hervor. Tatsächlich sei die Bebauung sogar jüngst im südwestlichen Bereich um eine Flurstückbreite nach Osten abgerückt worden, um der dortigen, seit Frühjahr 2022 geschützten Flachland-Mähwiese Rechnung zu tragen. Bei keinem dieser vorgenannten öffentlichen Verfahren seien Vorbehalte gegen die Gebietsabgrenzung entlang des Maulbronner Wegs vorgebracht worden.
Selbstverständlich stelle die Entwicklung eines Wohnquartiers für bis zu 1.400 Einwohner einen Eingriff in den Bestand dar – unabhängig davon, ob es sich hierbei um freie Landschaft oder um eine Brachfläche handelt: „Die faunistischen Untersuchungen legen durchaus nahe, dass hinsichtlich des Vorkommens geschützter Arten die Ziegeleibrache, aber auch die benachbarten Hausgärten in der Ulmer Schanz nicht schlechter abschneiden als die mehrfach angeführte Heckenstruktur im Nordwesten des Plangebiets.“
Im Plangebiet liegt – so die Verwaltung weiter - weder ein Naturschutzgebiet noch ein FFH-Gebiet (Flora, Fauna, Habitat) noch ein geschütztes Biotop. Der außerhalb des Gebiets gelegene Hohlweg (Maulbronner Weg) sei ein geschütztes Biotop, kein FFH-Gebiet. Eine mögliche Beeinträchtigung des nördlich der Ziegelei gelegenen FFH-Gebiets „Enztal bei Mühlacker“ sei im Rahmen der FFH-Vorprüfung gutachterlich geprüft und nicht bestätigt worden.
Speziell bei den Eidechsenvorkommen stelle sich die Situation so dar, dass die Fundorte der Jahre 2015 und 2020 im Plangebiet völlig unterschiedlich seien. Das überrasche insofern nicht, als in dieser Zeit mit den abbruchbedingten Haufwerken und Geländearbeiten interimsweise Sukzessionsflächen geschaffen worden seien, die sich sehr schnell besiedelt hätten. Dies spreche für zweierlei: zum einen für eine stabile Population, die in der Lage sei, diesen neuen Lebensraum schnell zu besiedeln, zum anderen dafür, dass vom Menschen angelegte Ersatzbiotope problemlos angenommen würden, wenn sie den Bedürfnissen der Tiere genügen.
OB: Hält kritischer Prüfung nicht stand
Die inzwischen mehrfach in der Öffentlichkeit postulierte überdurchschnittlich hohe ökologische Wertigkeit des westlichen Gebietsteils hält nach Meinung des OB dagegen einer kritischen Prüfung nicht stand. Bezogen auf die Größe des Gebiets von über 20 Hektar würden keine artenschutzrechtlichen Fragen aufgeworfen, die erheblicher wären als in jedem anderen Baugebiet. „Die erforderlichen Artenschutzmaßnahmen sind Standardmaßnahmen, wie sie üblicherweise vorkommen.“
Könnten bei planerischer Verknappung des Parkraums im Wohngebiet „Ziegelhöhe“ Ausweichbewegungen in die benachbarten Ulmer Schanz entstehen? Das bejaht die Verwaltung bei einer weit unter dem Bedarf bleibenden Verknappung von Parkraum – gerade im südwestlichen Randbereich des Wohngebiets. Allerdings stehe diese Stellungnahme in diametralem Gegensatz zu der Stellungnahme des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), der eine Minimierung öffentlicher und baurechtlich notwendiger Stellplätze fordere, um die Bewohner zu einem Umstieg auf alternative Formen der Mobilität zu ermuntern. Hinzu kämen praktische Probleme in der Umsetzung des konkreten Lösungsvorschlags der Stapelung verschiedener Parkierungsanlagen auf einem Grundstück. „Beide genannten Standpunkte sind plausibel und in ihrer Zielsetzung nachvollziehbar, sie sind aber nicht miteinander vereinbar.“