Bodenpolitik als Instrumente der kommunalen Zukunftsgestaltung

12.05.2021

Bürgermeister Winfried Abicht auf CDU-Anfrage: Konkrete Anwendbarkeit einer Studie unter den Bedingungen der Stadt Mühlacker prüfen und gegebenenfalls weiterentwickeln - Grunderwerb bindet langfristig kommunale Haushaltsmittel und steht damit in unmittelbarer Konkurrenz zu konkret zur Realisierung anstehenden Projekten – Studie empfiehlt eigenen „Grundstückstopf“

Mühlacker. Die Bodenpolitik ist für die Sicherung der stadtentwicklungspolitischen Handlungsfähigkeit von erheblicher Bedeutung, schreibt Bürgermeister Winfried Abicht auf die Anfrage des Vorsitzenden der CDU-Gemeinderatsfraktion, Günter Bächle nach den Möglichkeiten, einzelne Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) auf Mühlacker herunterzubrechen. Darin warnen die Wissenschaftler vor einem Ausverkauf des kommunalen Liegenschaftsvermögens. Ganz im Gegenteil - das sei als Grundlage für künftige Entwicklungen und Generationen zu erhalten und zu erweitern.

„Die Städte brauchen die Trumpfkarte des Bodenbesitzes angesichts der anhaltenden Dynamik auf den Immobilienmärkten“, zitierte Bächle aus der Studie des Difu, bei der auch die Stadt Mühlacker Mitglied ist. Die Stadtverwaltung fasst in ihrer Antwort, so Abicht, die zentralen Ergebnisse der Studie und den aktuellen Stand in der Stadt Mühlacker sowie mögliche Entwicklungsansätze zusammen, die aus Sicht der Stadtverwaltung auf ihre konkrete Anwendbarkeit unter den Bedingungen der Stadt Mühlacker geprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt werden könnten.

Schwerpunkte in der Stellungnahme der Stadtverwaltung sind, so die CDU-Fraktion in einer Mitteilung, Flächenerwerb, Bevorratung, die Vergabe von Bauland und das Erbbaurecht. Strategischer Grunderwerb binde langfristig kommunale Haushaltsmittel und stehe damit in unmittelbarer Konkurrenz zu konkret zur Realisierung anstehenden Projekten, heißt es in der Antwort von Abicht. Es bedürfe deshalb eines hohen Maßes an Ausgabendisziplin, angesichts zur Realisierung anstehender Projekte wie Kindergartenbauten, Schulsanierungen oder Stadthallenplanungen diese zurückzustellen und vorhandenes Geld in erst langfristig bedeutsame Grundstücksbevorratung zu investieren. „Ob dies bei aller Sinnhaftigkeit eines strategischen Flächenerwerbs politisch durchgehalten wird ist zu hinterfragen.“

Vier unterschiedliche Ankaufsvarianten
Die Studie weise darauf hin, dass ohne langfristig ausgelegten, kontinuierlichen und systematischen Ankauf von Flächen die Kommunen erhebliche Gestaltungsspielräume verlieren würden. Unterschieden werde hierbei zwischen vier verschiedenen Ankaufszwecken: Ankauf von Grundstücken für einen konkreten Fachbedarf (Bestellerprinzip), zu Zwecken der Baulandentwicklung (Baulandmodell - Zwischenerwerb), Ankauf von Schlüsselgrundstücken oder ganzen Arealen zur Innenentwicklung und zum Stadtumbau sowie zum Aufbau einer langfristigen Flächenreserve (Flächenbevorratung).

Vor diesem Hintergrund bewähre sich ein revolvierender Mitteleinsatz, bei dem Erlöse aus Grundstücksverkäufen nicht als allgemeine Haushaltsmittel verwendet, sondern im Sinne eines Grundstücksfonds wieder in neue Grundstücke reinvestiert werden. Dabei müsse eine unmittelbare Reinvestition nicht die wirtschaftlich sinnvollste Lösung sein. Vielmehr sei eine antizyklische Erwerbspolitik anzustreben, die echte Zyklen mit Phasen zeitweise hoher Zinsen und geringer Baulandnachfrage voraussetze. Hinzu komme, dass in wirtschaftlichen Abschwung-Phasen die Finanzausstattung der Kommunen ebenfalls leide. Die Difu-Studie schlägt als Instruments einen finanziell unabhängigen Bodenfonds vor, der außerhalb des Haushalts im Sinne eines zweckgebundenen Sondervermögens eine dauerhaft angemessene Kapitalausstattung sicherstellt.

Wiederum das Baulandmodell wird angewendet, um Grundstücke möglichst langfristig und vor allem noch entwicklungsunbeeinflusst zu erwerben und dann als Baugebiet zu entwickeln, so Abicht. Die zugrundeliegende Zielsetzung ist, mit der Wertdifferenz die Kosten der Gebietsentwicklung vollständig auffangen zu können, so dass die Baugebietsentwicklung als solche keiner öffentlichen Gelder bedarf. Dieses Ziel sei in gleicher Weise über Erschließungsträgerschaften erreichbar, die „wesentlich geringere Risiken aufweisen und eine geringere Kapitalbindung bewirken“. Auch weitergehende Ziele wie Baugebote, energetische Standards und andere könnten im Rahmen der Erschließungsträgerschaft über städtebauliche Verträge abgebildet werden. Aus Sicht der Verwaltung liegen die Vorteile hier beim in Mühlacker eingeführten Erschließungsträgermodell.

Bretten und Ulm kaufen vorher auf
Nicht zuletzt bewirken nach Auffassung der Stadtverwaltung zum einen die längerfristige Darstellung von Flächen im Flächennutzungsplan und zum anderen die realteilungsbedingte Vielzahl von Grundstückseigentümern mit Zuteilungswünschen schwierige Rahmenbedingungen für einen Zwischenerwerb. Anders stelle sich die Situation in Kommunen wie Bretten und Ulm dar, wo der kommunale Zwischenerwerb als Voraussetzung für die Baulandentwicklung jahrzehntelanger Übung entspreche und dementsprechend auch von den Grundstückseigentümern akzeptiert werde.

Der Bürgermeister nennt die Ziegelei ein klassisches Beispiel für Flächenerwerb im Rahmen der Innenentwicklung. Sie sei aufgrund hoher Unsicherheiten bei der Reaktivierung von Brachflächen mit den dort üblichen Risiken verbunden, doch diese könnten beschränkt werden. Zugleich zeige das Beispiel Ziegelei, und ebenso das Areal Goldshalde, dass auf diesem Wege – allerdings in der Regel unter erheblichem Mitteleinsatz - städtebauliche Ziele wirksam verfolgt werden könnten.

Diese Formen des Grunderwerbs könnten im Wesentlichen nur privatrechtlich umgesetzt werden. Das Vorkaufsrecht der Kommune setze enge Voraussetzungen, die einem strategischen und damit in der Regel langfristigen Flächenerwerb entgegenstünden. Die Stadt könne beim Verkauf von Grundstücken erhöhte Anforderungen an die Käufer stellen, die über die Festsetzungen in einem Bebauungsplan hinausgehen. So sei seit Jahren ein Baugebot innerhalb kurzer Frist Bestandteil des Kaufvertrags, um die dauerhafte spekulative Vorhaltung nicht bebauten Baulands (Baulücken) zu verhindern. Denkbar wäre auch, an den Energieverbrauch des zu erstellenden Gebäudes erhöhte Anforderungen zu stellen, also zum Beispiel KfW70- oder KfW55-Standard zu fordern oder bei Geschossbauten den Verkauf an eine Barrierefreiheit aller Wohnungen oder einen bestimmten Anteil
geförderten Wohnungsbaus zu knüpfen. Nicht zuletzt könne bei der Vergabe größerer Flächen in Teillosen auch ein Teil der Grundstücke exklusiv für bestimmte Nachfragegruppen, zum Beispiel Genossenschaften, Baugemeinschaften, Generationenkonzepte, integrative Projekte, Senioren-WGs, … vorgesehen werden, listet die Stadtverwaltung auf.

Wiederbebauung des Bijouteriegeländes nach Punkten
Anstelle von Vergabevoraussetzungen könnten die Vergabe-Kriterien auch in einen Wettbewerb der Ideen gegeben werden. Der von den Bewerbern eingereichte Bebauungsvorschlag werde auf Basis einer zuvor veröffentlichten Matrix bewertet. Die höchste Punktzahl erhalte den Zuschlag.
Die Konzeptvergabe sei darüber hinaus auch für nicht oder schwer quantifizierbare Kriterien wie die Qualität der Architektur offen. Abicht: „Im Zuge der Wiederbebauung des Bijouteriegeländes in Dürrmenz wurde erstmalig eine Konzeptvergabe angewendet: Die Auswahl des Käufers erfolgte auf Basis eines eingereichten Entwurfs und nicht auf Basis eines Höchstpreisgebots. Im konkreten Fall war dies den Rahmenbedingungen der Landesförderung im Zuge der Sanierung geschuldet.“ Im Regelfall ist eine solche Vorgehensweise beim individuellen Bau von Einfamilienhäusern eher unüblich. Anders bei Geschosswohnungsbauten oder ganzen Quartieren, die von
einem Bauträger errichtet werden: Hier biete sich eine Vergabe nach dem Bestgebotsprinzip an, die Kriterien wie Barrierefreiheit, energetische Sparsamkeit, städtebauliche Qualität und anderes als Kriterien in die Vergabe einbezieht.

Umstrittenes Erbbaurecht: In der Vergangenheit sei das Erbbaurecht vorrangig angewendet worden, um Bevölkerungsgruppen, die ansonsten dazu nicht in der Lage gewesen wären, den Erwerb von Wohneigentum zu ermöglichen. Unter den aktuellen und sich auch noch längerfristig abzeichnenden Zinsbedingungen ist dieser Vorteil aber nicht gegeben. Im Gegenteil liege der Erbbauzins höher als die Belastung aus Zins und Tilgung beim Kauf eines Grundstücks, so dass allenfalls der geringere Eigenkapitalbedarf, nicht aber die tatsächliche monatliche Belastung für das Erbbaurecht spreche, denn trotz höherer Belastung werde kein Eigentum am Grundstück erworben. Das Erbbaurecht sei deshalb derzeit aus der Käuferperspektive nicht attraktiv.

Mietpreisbindungen durch Erbpacht sichern

Ganz anders stellt dies, so Abicht, gegebenenfalls aus der Perspektive der Kommune dar. Neben einer Verstetigung von Einnahmen könnten durch Erbpachtverträge kommunale Interessen wie zum Beispiel Mietpreisbindungen dauerhaft gesichert werden. Das Grundvermögen bleibe erhalten, Grundstückswertzuwächse flössen der Kommune zu und der Immobilienmarkt werde – allerdings erst bei Anwendung in der Breite – gedämpft.

Voraussetzung sei allerdings, dass sich ein Erbpachtnehmer finde, der diese für ihn im Vergleich zum Kauf in der Regel weniger attraktive Option mitträgt. Die aktuelle Marktsituation, die von einem massiven Nachfrageüberhang geprägt sei, wirke sich insofern zugunsten der erbpachtwilligen Kommune aus. „Manche Kommunen verzichten deshalb konsequent auf dem Verkauf von Grundstücken, und zwar nicht nur für soziale, kulturelle oder sportliche Zwecke, sondern auch für Wohn- und sogar für gewerbliche Zwecke.“ Zur Klärung der tatsächlichen Nachfrage nach Erbpachtgrundstücken in Städten mit nicht vergleichbar überhitzten Immobilienmärkten könne die Vergabe in Erbpacht als Vorrangvariante gewählt werden, so dass derjenige Interessent, der zur Erbpacht bereit ist, bei der Vergabe vorrangig berücksichtigt wird.

„Ein sprödes Thema, das aber wichtig ist für die Entwicklung einer Kommune“, kommentierte Stadtrat Günter Bächle. Der Vergleich mit der Difu-Studie zeige, dass Mühlacker in einzelnen Bereichen der Bodenpolitik zukunftsträchtig aufgestellt sei. Anregungen wie solcher aus der Wissenschaft seien geeignet, darauf untersucht zu werden, ob sie für die eigene Gemeinde passgenau sind. Erfreulich sei, dass dies die Stadtverwaltung vorhabe.

 

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